Hören & Lesen

Zum Hören:

Ave Verum
(nach Mozart)
Jesus schenkt neues Leben
(nach Waldemar Grab)
What A Wonderful World
(nach Louis Armstrong, im „Satchmo-Stil“)
Geh' meiner Seele auf den Grund
(nach Jörg Swoboda)

Zum Anschauen:

Gott ist aus der Kirche ausgetreten Hanns Dieter Hüsch
Quelle: Youtube https://www.youtube.com/watch?v=_ScI3Zh5iT0
nahaufnahme Jürgen Werth (Album Player)
Quelle: Youtube https://youtu.be/_Pup23AzFrE?t=36
GERWIN TRIFFT - Maybrit Illner Hanno Gerwin, ERB Medien
Quelle: http://www.gerwintrifft.de/de/interview.php?id=164
Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit Eine kleine filmische Meditation zum Nachsinnen
über Zeit und Ewigkeit, Gott und die Welt
Christmas Food Court Flash Mob Halleluja Chorus
Quelle: Youtube (https://youtu.be/SXh7JR9oKVE)

LIEBE IST STARK WIE DER TOD


Liebe und Tod haben etwas gemeinsam. Sie sind unwiderstehlich. Sie haben eine Macht in sich, der sich schließlich alle beugen müssen. Gegen den Tod anzukämpfen ist letztlich genauso aussichtslos wie der Liebe zu entgehen.

Nach der russischen Revolution 1917 tobte mehrere Jahre ein erbitterter Bürgerkrieg zwischen der konservativen Bevölkerung, den Weißen, und den Kommunisten, den Roten. Zu dieser Zeit ging ein orthodoxer Priester eine Straße entlang, als er sah, wie Soldaten der Weißen Armee einen kommunistischen Soldaten an einen Baum banden, um ihn hinzurichten. Der Offizier des Exekutionskommandos sah den Priester und grüßte ihn mit dem üblichen Gruß in Russland: „Segne uns, Vater!“ Der Priester antwortete: „Ich kann einen Mord nicht segnen!“ Die Weißen ließen ihren Gefangenen, durch die Worte des Priesters betroffen, frei.

Einige Zeit später rief eine Frau den gleichen Priester zu ihrem sterbenden Sohn, damit er ihm die Sterbesakramente verleihe. Als der Priester das Haus betrat, schrie der Sohn wütend: „Ich will keinen Priester. Diese Bösewichte sollen alle umgebracht werden. Ich bin Kommunist. Ich kann Priester nicht ausstehen.“ Doch dann erkannte er in dem Mann den Priester, der ihm neulich das Leben aus der Hand der Weißen gerettet hatte. „Du hast mir das Leben gerettet. Aber ich hatte den Auftrag, dich umzubringen. Siehst du das Messer auf dem Tisch? Wenn du das gewusst hättest, hättest du dann genauso gehandelt?“

„Auch dann“, antwortete der Priester, „hätte ich keinen Mord gesegnet, denn Gott hat für uns alle Vergebung und Liebe bereit. Seine Liebe ist stärker als der Tod. Nun hat mich Gott ein zweites Mal zu dir geschickt, um dich zu retten.“

Kurze Zeit später war der Mann tot. Doch der ganze Hass war aus seinem Leben gewichen und hatte der Liebe und Versöhnung Gottes Platz gemacht.

Axel Kühner

Liebe ist stark wie der Tod.

Hoheslied 8,6

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ICH WEISS, DASS MEIN ERLÖSER LEBT


Es war im Jahre 1741, als eines Nachts ein gebeugter Mann in sich versunken durch die dunklen Straßen Londons schlurfte. Der Mann war Georg Friedrich Händel, der große Musiker. In seinem Gemüt stritten Hoffnung und Verzweiflung. Die Gunst der vornehmen englischen Welt hatte sich von ihm abgewandt. Bittere Not kam über ihn. Der schöpferische Funke erlosch, und mit noch nicht 60 Jahren fühlte sich Händel alt und lebensmüde. Ohne Hoffnung kehrte er in seine armselige Wohnung zurück. Da fiel sein Blick auf ein dickes Paket. Er öffnete es. „Ein geistliches Oratorium“ hieß die Überschrift. Händel ärgerte sich über den zweitrangigen Dichter und besonders über dessen Bemerkung: „Der Herr gab mir den Auftrag!“ Gleichgültig blätterte Händel im Text. Da sprang ihm eine Zeile in die Augen: „Er war verachtet und verschmäht von den Menschen ... da war nicht einer, der Mitleid mit ihm hatte ...“ Händel las weiter: „Er vertraute Gott ... Gott ließ seine Seele nicht ... Er wird dir Ruhe geben ...“ Diese Worte füllten sich für Händel mit Leben und Erleben. Und als er noch weiterlas: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt ... Frohlocke ... Halleluja!“, da wurde es in Händel lebendig. Wunderbare Klänge überstürzten sich in seinem Innern. Der Funke von oben hatte ihn in Brand gesteckt. Händel griff nach der Feder und begann zu schreiben. Mit unglaublicher Schnelligkeit füllte sich Seite um Seite mit Noten.

Am nächsten Morgen fand ihn sein Diener über den Schreibtisch gebeugt. Er stellte das Tablett in Reichweite und ging hinaus. Am Mittag stand es noch unberührt da. Händel schrieb und schrieb. Zwischendurch sprang er auf und stürzte ans Cembalo, lief auf und ab, fuchtelte mit den Armen in der Luft und sang aus voller Kehle: „Halleluja, Halleluja!“ Der Diener fürchtete, Händel würde wahnsinnig, als ihm sein Herr sagte, die Tore des Himmels hätten sich vor ihm aufgetan und Gott selber sei über ihm. Vierundzwanzig Tage arbeitete Händel wie ein Besessener, fast ohne Ruhe und Nahrung. Dann fiel er erschöpft auf das Bett. Vor ihm lag die fertige Partitur des „Messias“.

Unter Händels persönlicher Leitung wurde der Messias 34mal aufgeführt. Am 6.4.1759 erlebte er zum letzten Mal sein eigenes Werk. Händel erlitt einen Schwächeanfall und wünschte sich, am Karfreitag zu sterben. Gott gewährte ihm diese Bitte und rief den großen Meister am Karfreitag, den 14.4.1759, zu sich. Händel durfte zu dem gehen, den er so ergreifend besungen und der ihm sein Herz abgewonnen hatte, so dass Händel jubeln konnte: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“

Axel Kühner

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DAS GRÖSSERE UNGLÜCK


Ein kleiner Junge aus einem Dorf verirrte sich abends im Wald und wurde von seinen Eltern vermisst. Das ganze Dorf nahm teil an der Sorge der Eltern und machte sich auf die Suche. Landwirte rannten aus ihren Ställen, Kaufleute verließen ihre Geschäfte, Handwerker machten ihre Werkstätten dicht, Hausfrauen ließen das Abendessen kalt werden, eine Kirchenversammlung wurde abgebrochen, und alle kamen zusammen, um den Jungen zu suchen. Fieberhaft und planmäßig zugleich wurde die ganze Gegend abgesucht, um der hereinbrechenden Nacht zuvorzukommen. Nach stundenlanger Suche und unter Einsatz aller Kräfte und Mittel wurde das vollkommen verängstigte Kind schließlich gefunden. Wie freuten sich alle mit den Eltern über den glücklichen Ausgang.

Zwanzig Jahre später ist der Junge erwachsen. Er ist erneut in die Irre gegangen und hat sich im Gestrüpp des Lebens verfangen. Aber niemand sucht nach ihm. Vater und Mutter sind eifrig dabei, Geld zu verdienen. Die Kirchenversammlung berät den neuen Haushaltsplan. Nachbarn und Freunde haben mit ihren eigenen Sorgen und Problemen zu tun. Es wird kein Notruf ausgesandt. Keine Suche beginnt. Alle lassen den Jungen im viel größeren Unglück allein.

Wenn ein Mensch in seiner Sünde verloren geht, ist das viel schlimmer. Aber niemand macht sich auf, ihn zu suchen. Kümmert uns die Verlorenheit der Menschenkinder noch, dass wir uns aufmachen?

Axel Kühner

 

Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, so er deren eines verliert, der nicht lasse die neunundneunzig in der Wüste und hingehe nach dem verlorenen, bis dass er's finde?

Lukas 15,4

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GEBET IN DIE KRIPPE


„Ich steh‘ an deiner Krippen hier…“
Hoffentlich.
Zu Weihnachten.
Nur zu Weihnachten?
Öfter?
Immer?

Ich steh‘ unter der Dusche.
Höre Lieblingsmusik, laut natürlich, es rauscht doch.
Ein Lied hat es mir angetan: „Jesus, zu Dir kann ich so kommen, wie ich bin, du hast gesagt, dass jeder kommen darf…“
An die Krippe.
Nicht nur Hirten, nicht nur Weise. Ich auch.
Egal, wo ich herkomme. Hauptsache zu Dir.
Weil es Geschichten über Dich gibt, Versprechen, die mich wahnsinnig neugierig machen.
Zum Beispiel: „Jesus, bei Dir kann ich mich geben, wie ich bin, ich muss nicht mehr, als ehrlich sein vor Dir. Ich muss nichts vor dir verbergen…“
Kein Angeben. Kein Schauspielern. Kein Krampf. Kein Kampf. Keine Masken. Keine Leistung. Kein Ehrgeiz. Keine Neurotik. Keine Lügen. Kein Egoismus.
Einfach nur der sein, der ich bin.
Der, den Du kennst und trotzdem willst.
Ein Original ohne Verbiegen und Zerbrechen.
Ohne zu viel Rücksicht auf andere. Die Meinung anderer.

Gebet in die Krippe Oh, Gott, wenn das nur so wäre, es wäre zu schön, um wahr zu sein.
Das ist mein Gebet.
An der Krippe.
In die Krippe.

Ich steh‘ jetzt unter Druck.
Erwartungsdruck.
Vor Dir.
An der Krippe.
Es heißt: „Jesus, bei dir muss ich nicht bleiben, wie ich bin. Nimm fort, was mich und andere zerstört. Einen Menschen willst du aus mir machen, wie er dir gefällt…“
Das gefällt mir. Du gefällst mir. So was will ich.
Jetzt passiert mir etwas, passiert mit mir etwas.
Ich spüre das.
An der Krippe.

Ich steh‘ längst nicht mehr.
Ich kniee.

Walter Sohn

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WEIHNACHTSTROST


Weihnachtliche Geschäftigkeit vor dem Kaufhaus und auch drinnen. Ein Hin und Her der Leute, keiner hat Zeit, keiner nimmt sich Zeit. Alles muss schnell gehen. Weihnachtliche Klänge rieseln auf die Geschäftigen herab, kaum vernehmbar, Vorfreude stellt sich nicht ein. Es ist eigentlich wie sonst, nur eben gewollt weihnachtlicher, in den Auslagen, geschenkverpackte Kartons, ein bisschen Tannengrün, bunte Kugeln.

Mitten auf der Geschäftsstraßenkreuzung ein viereckiger Stand, die „Info-Box“, die Frauen dahinter geben freundlich Auskunft, reichen verschiedene Schlüssel, verkaufen Gutscheine, verleihen bei Bedarf sogar Regenschirme oder kümmern sich um Fundsachen.

Da die Box von allen Seiten angehbar und einsehbar ist, kennen die Mitarbeiterinnen keinen Augenblick des persönlichen Rückzugs. Sie müssen immer präsent sein, jeder kann sie sehen, in ihren dunkelblauen Dienstkleidern, sie sind keinen Augenblick unbeobachtet. Wie gemein…

Eine von ihnen kenne ich. Sie ist so eine Stille, Mittvierzigerin, mit freundlichen, aber stets traurigen Augen. Wir hatten manches Gespräch, wenn auch immer nur kurz.

Heute ist sie wieder da. Ich begrüße sie wie eine alte Bekannte. Nur – heute schauen ihre Augen noch trauriger als sonst. „Kummer?“, frage ich. Sie nickt. Sie steht in der von mir entgegengesetzten Ecke. „Großen Kummer?“ Sie nickt wieder, nachdrücklicher. Da steh‘ ich und weiß nicht weiter. Ich käme mir albern vor mit Sätzen zu hantieren wie „Kopf hoch“, „Wird schon wieder“ oder „Das Leben geht weiter…“ —

Da sage ich: „Ich bin Christ. Ich… könnte…, wenn Sie wollen, für sie beten… Aber… dafür bräuchte ich Ihren Namen…“ Stillschweigend, wie selbstverständlich, zeigt sie mir das am Revers befestigte Namensschild: „Es bedient Sie… Frau Voigt…“

„Danke, Frau Voigt, ich werde das für Sie tun…“. Sie lächelt, dankbar, müde, traurig.

*

Beim Friseur unterbreche ich meinen Rundgang. Einige Zeit muss ich warten. Zeit zum Nachdenken. Immer wieder kehren meine Gedanken an Frau Voigt zurück. —

Ich bete still: Herr, erbarme Dich ihrer, tröste sie, segne sie, bringe ihre schlimme Situation zurecht. Was immer sie haben mag. Amen. —

Eigentlich müsste ich ihr was Gutes tun. Ein Blümchen? Der letzte Blumenladen hat vor einiger Zeit dicht gemacht.

Ich genieße die gute Behandlung durch die Friseurin und ihrer Azubi, man erzählt, lacht, schüttelt über manch Verwunderliches im Alltag den Kopf. Die Frisur sitzt, ich kann mich wieder sehen lassen. Schon setze ich meinen Rundgang draußen fort. Wieder die Gedanken an die traurige Frau Voigt. Bald bin ich einmal im Karree herum und dann wieder an der Info-Box. „Nanu nana“ hilft mir: Ein kleines Kerzenglas, eine ebenso kleine hübsche Kerze, ein Feuerzeug, mehr brauche ich nicht.

Schon stehe ich Frau Voigt wieder gegenüber, entzünde das Licht an der Kerze, frage sie, ob sie Menschen hat, mit denen sie reden kann. Ja, sagt sie, liebe Eltern und einen lieben Sohn…

Ob ich ihr trotz ihres Kummers dennoch ein gutes Weihnachten wünschen darf?
Jetzt ein Lächeln, etwas befreit, es wird ein dankbares Strahlen in ihren Augen…

Auf dem Weg nach Haus werde ich fröhlich, danke Gott dafür, einem Menschen ein Licht in seiner Dunkelheit habe anzünden können…

Walter Sohn

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MUTTCHEN


Die älteren Geschwister waren schon zur Arbeit verabschiedet, sie hatte ihnen das Frühstück und die Mitnehme-Stullen gemacht. Die Pause, so zwischen 6 und 7, bis zum Aufstehen der Schulkinder, nutzte sie täglich für ihre „Stille Zeit“.

Sie saß in einer Kittelschürze im Korbstuhl am Ofen im Wohnzimmer. Ihr silbergraues, leicht welliges Haar war sorgfältig gekämmt. Leicht gebeugt über ihrer alten Bibel und den Losungen.

Hier suchte und wartete sie auf Gottes Antwort auf viele ihrer Fragen. Auf schwere Fragen in ihrem nicht leichten Leben.

Ihre Augenlider waren gerötet, manches Mal sah ich eine Träne über ihre Wangen laufen.

So traf ich sie morgens oft an.

Muttchen.

Sie hatte viel zu beten, sie hatte neun Kinder.

Alle hat sie gewollt, alle waren keine Kinder des Zufalls oder eine Laune der Natur. Sie hatte alle lieb.

Einige von ihnen setzten ihr Leben in den Sand. Zwei von ihnen sind nicht mehr. Manches davon hat sie miterlebt, anderes nicht mehr. Sie starb vor mehr als 40 Jahren.

Und diesen stillen Gebeten von damals verdanke ich mein Christsein.

Auch. Natürlich gab es da noch anderes.

Aber ohne ihre Gebete wäre das ausgefallen.

Danke, Gott!

Danke, Muttchen!

Walter Sohn

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OSTERN


Schon zwei Wochen vor Ostern ruft nämlich die Frieda immer, dass du mir am Ostersamstag schön zu Hause bleibst, da ist mal nichts mit Kunst und so, da werden nämlich Eier gefärbt.

Schön, sage ich, wie viel denn? Also ich esse schon mal am 1. Feiertag morgens zwei, mittags zwei, zum Kaffee zwei und abends zwei, macht zusammen acht, am 2. Feiertag dasselbe, macht zusammen sechzehn, und das mal drei – unsere Familie besteht aus Vater, Mutter und einem Kind –, also sechzehn mal drei macht achtundvierzig, sagen wir, die kaputten mitgerechnet, macht fünfzig.

Fünfzig Eier, sagt Frieda, du spinnst.

Einmal im Jahr zu Ostern, soviel ich weiß, sage ich, da soll das Ei leben, ein Hase ist ja auch nur ein Mensch.

Also komm, sagt die Frieda, lass jetzt mal deine Späßchen, ich kaufe dreißig Eier, davon werden zwanzig gefärbt, dann muss sich jeder das eben ein bisschen einteilen.

Fünfzig Eier, sagt die kleine Frieda, ich ess sowieso höchstens insgesamt vier.

Na, sage ich, ihr seid mir rechte Asketen, so begeht man doch nicht Ostern, ei der Daus.

Also, sagt die Frieda, du brauchst gar nicht weiter dumm zu reden, dreißig Eier und damit basta, nachher müssen wir sie nämlich wieder alle essen.

Also gut, sage ich, dreißig Eier, das ist für mich aber dann nur ein halbes Ostern, so wie Weihnachten ohne Schnee, aber wenn man die Schale mitisst, dann geht's ja.

Hhmm, macht die Frieda.

Bunte Eier

Doch, sage ich, das soll sehr gesund sein, wie bei Kartoffeln und Äpfeln, das Wertvollste sitzt direkt unter der Schale, diese Vitamine, deshalb soll man die Schalen nie wegwerfen. Da ist Kalk drin.

Bei dir ist auch Kalk drin, sagt die Frieda, jetzt zieh dich an, wir müssen los, sonst sind nachher überhaupt keine Eier mehr da.

Die kommen doch frisch vom Lande, sage ich, früher kamen immer so Frauen mit Kopftuch und warfen einem die Eier nach.

Also Vati, sagt die kleine Frieda, jetzt hör doch endlich auf.

Gut, sage ich, geh ‘n wir, ihr habt ja keine Ahnung von Ostern.

Aber du, du hast natürlich Ahnung, du bist der Oberosterhase, sagt die Frieda.

Chefosterhase, wenn ich bitten darf, sage ich.

Ja, und dann holen wir zu dritt – mit feierlichem Schritt – die Eier und tragen sie wie auf Messers Schneide nach Hause. Auf dem Rückweg treffen wir noch einen Intellektuellen.

Fröhliche Ostern, sage ich, wir sind gerade dabei, dreißig Eier zu vergesellschaften. Wir färben heute Abend im Kollektiv.

Nein, sagt er, da bin ich drüber weg, ich habe mir nur ein Ei als Drahtplastik anfertigen lassen, schließlich kann unsereiner ja nicht mehr an den Osterhasen glauben.

Doch, sage ich, ich glaube noch dran.

Aber sehen Sie mal, sagt er, es hat sich doch seit einigen Jahren allerhand verändert, und es tut mir also furchtbar leid, aber ich sehe, ich kann den Osterhasen auch nur noch als Alibi für diese Pseudodemokratie sehen.

Die Frieda zupft mich am Ärmel und sagt, also wollt ihr hier jetzt diskutieren, oder wolln wir gehn und die Eier färben.

Also, sage ich, entschuldigen Sie, aber wir müssen jetzt Farbe bekennen, und grüßen Sie Ihre Drahtplastik.

Ja, und dann sitzen wir alle um den Küchentisch und finden die Eier diesmal außerordentlich gut gewachsen, und dann wird überall so ein Löchlein hineingepickst, damit sie nicht springen, und dann werden die Eier ganz vorsichtig – pass doch auf– mit einem Löffel in den Kochtopf hineinbalanciert. Und dann studieren wir alle Lohmeyers Farbenlehre und Lohmeyers Farbenstifte und Lohmeyers Farbenbeutel und Lohmeyers Abziehbilder, absolut ungiftig, und Lohmeyers bunte Farbblätter, wo man immer um das Ei so einen heißen Umschlag machen muss.

Zwei sind schon gesprungen, sagt die kleine Frieda.

Das macht nichts, sage ich, das gibt dann hinterher diese feinen Strukturen. Und dann holen wir alte Tassen und rühren die Farben.

Halt, sagt die Frieda, ein Schuss Essig muss dran.

Bunte Eier

Und dann färben wir. Und dann malen wir. Und dann komponieren wir. Und dann nehmen wir die fertigen und übermalen sie noch mal. Und dann entstehen die künstlerischen Eier. Die halten bis Pfingsten. Und dann haben wir einen Spaß und sind gar nicht sachlich. Und dann kommen die gesprungenen Eier dran, und da setzen wir die gesprungenen Linien mit einem Stift so fort, dass man die Sprünge gar nicht mehr sieht, und so helfen uns die Eier auf alle möglichen zeichnerischen Sprünge. Und dann kommen die Abziehbilder dran und so weiter, und wenn einer sagt, warum machen wir das jedes Jahr, sagt der andre gleich, na weil wir das doch früher auch so gemacht haben.

Und dann sagt plötzlich die kleine Frieda, guck mal, wie ich ausseh.

Und dann sage ich, guck mal, wie ich ausseh.

Und dann sagt die Frieda, also ich seh vielleicht aus.

Und wir sehen dann alle furchtbar aus. Ganz bunt und sind von Kopf bis Fuß auf Farbe eingestellt. Und der Tisch sieht vielleicht aus. Und schon putz ich mir am falschen Handtuch die Finger ab.

Also wie das hier aussieht, sagt die Frieda dann ein ums andre Mal.

Und dann holt sie ein Körbchen. Da legen wir die Eier rein. Und dann stellt sie das Körbchen auf die Fensterbank und sagt, also jetzt beginnt für mich Ostern.

Und dann stellen wir das Körbchen wieder auf den Tisch, und die kleine Frieda sagt, jetzt ist richtig Ostern.

Und dann tragen wir das Körbchen ins Wohnzimmer und stellen es auf die Truhe, und dann sage ich Fröhliche Ostern.

Und dann gehen wir wieder in die Küche und sagen, wie das hier aussieht. Und dann sind wir richtig abgespannt und müde.

Aber dann ist wirklich Ostern.

Hanns Dieter Hüsch

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Jesus und Nikodemus


Johannes 3,1-21

I

n Jerusalem wohnte ein vornehmer Mann mit Namen Nikodemus; der war Mitglied des Hohen Rat. Und er kam zu Jesus bei der Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, daß du ein Lehrer bist, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen und Wunder

tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist.
Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Nikodemus sprach: Wie kann ein Mensch wieder geboren werden, wenn er alt ist?
Jesus sprach zu ihm: Wenn der Mensch nicht durch Gottes Geist ein neues Leben erhält, kann er nicht in das Reich Gottes kommen; denn was vom Menschen stammt, ist vergänglich; was aus Gottes Geist stammt, ist ewiger Art. Darum wundere dich nicht, daß ich dir gesagt habe: ihr müsset von neuem geboren werden. Und ich sage dir ein Gleichnis: Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.

Nikodemus fragte: Wie kann das geschehen?

Jesus antwortete und sprach: Bist du ein Lehrer in Israel und weißt das nicht? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben. Niemand fährt gen Himmel, als der vom Himmel herniedergekommen ist, nämlich des Menschen Sohn. Und wie einst Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, also muß des Menschen Sohn erhöht werden. Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen

eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn errettet werde.

Da aber erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unseres Heiland, nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch Jesum Christum, unsern Heiland, auf daß wir gerecht und Erben seien des ewigen Lebens.

Titus 3, 4-7

Komm, Balsam Gottes, Heilger Geist, / erfüll die Herzen allermeist
mit deiner Liebe Brennen.
Von dir allein muß sein gelehrt, / wer sich durch Buß zu Gott bekehrt;
gib himmlisches Erkennen.
Der fleischlich Mensch sich nicht versteht auf göttlich Ding und irregeht;
in Wahrheit wollst uns leiten
und uns erinnern aller Lehr, / die uns gab Christus, unser Herr,
daß wir sein Reich ausbreiten.

Ambrosius Blarer 1492 – 1564

Entnommen dem Buch „Schild des Glaubens“, EVA Berlin, 1958

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„O Theo!“


Als ich den Laden verließ, war es gerade 12 Uhr.

Um diese Zeit herrschte ein ungeheures Gedränge in der Hauptgeschäftsstraße. Langsam schob sich die Menge an den Schaufenstern vorüber.

Ungeduldig suchte ich mich hindurchzuarbeiten. Du liebe Zeit! Es war ja einfach kein Vorwärtskommen!

Bumms! Reichlich heftig prallte ich mit einer Frau zusammen, die es offenbar auch etwas eilig hatte. Verlegen wollte ich mich entschuldigen. Da ging ein frohes Strahlen über das Gesicht der einfachen Frau: „O Pastor Busch! Das wird aber den Theo freuen, daß wir uns getroffen haben!“

Ich mußte lächeln. Immerhin war dies „Treffen“ ja ziemlich unsanft gewesen. Und überhaupt – wer war diese Frau?

Etwas unsicher sagte ich, ich könne mich im Moment gar nicht recht erinnern, wer sie denn sei. Sie möge meinem armen Gedächtnis doch nachhelfen.

„Na ja!“ meinte sie gutmütig. „Mich kennen Sie auch gar nicht. Wissen Sie – ich bin die Mutter von Theo!“

Wieder dieser Theo! Ich war genauso dumm wie vorher. Wer war Theo?

„Wissen Sie, liebe Frau“, erklärte ich ihr, während wir uns im Gedränge nebeneinander zu halten versuchten, „ich kenne 'ne ganze Menge Theos. Welchen meinen Sie?“

„Na, den Großen – mit dem blonden Haar – der immer in Ihr Jugendhaus kommt. Der neulich seine Brieftasche verloren hat. Da haben Sie doch noch ...“

Nun ging mir ein Licht auf. „So, von dem Theo sind Sie die Mutter? Na, da kann ich Ihnen aber wirklich gratulieren. Das ist ein famoser Bursche!“

Dieser Theo war mir unter den vielen hundert Jungen, die durch das Essener Jugendhaus gehen, seit einiger Zeit aufgefallen. In den Bibelstunden saß er mit gespannter und gesammelter Aufmerksamkeit vor mir. Und wenn gesungen wurde, dann strahlte sein Gesicht, daß man es einfach nicht übersehen konnte. Der sang nicht nur mit dem Munde, sondern mit dem ganzen Herzen. Und besonders eifrig war er im Werbe- und Besuchsdienst.

„Ja“, erklärte ich noch einmal, „der Theo, der ist ein Prachtbursche.“

Nun habe ich es oft erlebt, daß die Gesichter der Mütter glänzen, wenn man ihre Söhne lobt. Und darum wunderte ich mich, als diese Mutter auf einmal sehr ernst wurde

Dann sagte sie leise: „Das können Sie gar nicht ahnen, wie der wirklich ist.“

Wir waren inzwischen in eine stillere Straße geraten. So hatte ich diese Worte noch deutlich gehört, obgleich sie so gesprochen worden waren, als wären sie gar nicht an mich gerichtet.

Ich wurde neugierig. „Da steckt ein Geheimnis dahinter! Liebe Frau, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie es mir verraten wollten. Denn es liegt mir so viel daran, daß ich meine Jungen wirklich kennenlerne.“

Einen Augenblick lang besann sich die Frau. Dann brach‘s aus ihr heraus: „Ja, ich muß Ihnen das mal berichten. Sehen Sie, wir waren eine ganz gottlose Familie. Mein Mann will bis heute nichts wissen vom Christentum. Der hat eine richtige Abneigung dagegen. Und darum haben wir alle ganz und gar ohne Gott gelebt...“

Die Frau unterbrach sich. Wir mußten die Straße überqueren. Und – ja, wir waren längst aus einem Geplauder heraus. Hier ging’s um ernste Dinge. Das erforderte ihre ganze Sammlung. So bog ich jetzt mit ihr in eine stille Seitenstraße ein. Und da fuhr sie fort:

„Es war um die Zeit, als der Theo 17 Jahre wurde. Da fiel mir auf, daß er so anders war. Wenn's Krach gab, war er ganz still. Und immer suchte er mir Freude zu machen. Mit seiner kleinen Schwester war er so geduldig. Es war, als käme durch den Theo ein völlig anderer Geist in unsere Familie.

Und eines Tages sagte er ganz offen, daß er in Ihren Jugendkreis ginge. Ein paar Freunde hätten ihn dorthin mitgenommen. Und nun habe er den Herrn Jesus kennengelernt. Und dem gehöre jetzt sein Leben.“

Wieder machte die Frau eine Pause. Ich spürte ihr die starke Bewegung an. Es war ergreifend, wie sie nun erzählte, daß diese Eröffnung ihrem Mann nur ein zorniges Brummen entlockt habe. Sie selbst aber sei seltsam angeregt worden durch die Eröffnung des Sohnes. Ihr Herz sei ganz unruhig darüber geworden.

„Ja, so kam es denn, daß ich seither mit dem Theo in Ihre Gottesdienste gehe.“

Und nun strahlte ihr Gesicht. „Jetzt gehöre ich auch dem Herrn Jesus. Das ist wie ein wundervolles Geheimnis, das mein Theo und ich miteinander haben. Und jeden Tag lese ich ein wenig in der Bibel. Da verstehe ich dann manches nicht... und ...“

Jetzt wurde sie richtig rot vor Verlegenheit: „Dann frage ich meinen Jungen. Der versteht viel mehr. Ach, es ist ja eine Schande, daß ich alte Mutter bei meinem Jungen lernen muß. Aber der Theo ist gar nicht hochmütig. Der kann mir das alles so gut erklären.“

Wie die Frau das sagte! Mir standen die Tränen in den Augen. Und durch meinen Sinn ging die alte Verheißung des Maleachi, daß die Herzen der Eltern zu den Kindern bekehrt werden sollen.

„Und Ihr Mann?“ mußte ich nun doch fragen.

Sie lächelte. „O, der will noch nichts von all dem wissen! Aber der Theo und ich – wir beten jeden Tag für den Vater. Wir haben ihn ja auch lieb. Er ist ein guter Vater. Der wird ja eines Tages auch ... wenn wir so für ihn beten! Da kann er ja gar nicht anders ...!“

Es war lange still zwischen uns. Dann fing sie noch einmal stockend und wie – ja, wie anbetend an: „Es ist doch seltsam, daß eine Mutter durch ihren Sohn ...“ Der Rest des Satzes blieb aus. Aber ich verstand sie.

Am Abend traf ich Theo in meinem Jugendhaus. Er spielte gerade Tischtennis mit ein paar jungen Burschen, die er herbeigeschleppt hatte. Ich drückte ihm die Hand: „O Theo!“ Und er lachte mich froh an.

Pastor Wilhelm Busch

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0274 DAS BUCH DES LEBENS


Es war eine jener trostlosen Straßen, wie sie überall im Ruhrgebiet zu finden sind: endlose Reihen geschmackloser Mietskasernen, grau geworden vom Ruß, der aus unzähligen Schloten quillt, – rasselnde und bimmelnde Straßenbahnen, – Lastautos, die lärmend über das schlechte Pflaster holpern, – Kneipen, aus denen kreischend Radiomusik ertönt ... und dazwischen Menschen! Menschen! Dichtgedrängt! Die Not des Lebens steht ihnen im Gesicht geschrieben.

Und Kinder! Scharen von Kindern! Sie spielen unbekümmert und kriegen es fertig, in dieser traurigen Umgebung dasselbe Jugendparadies zu finden wie andere „im schönsten Wiesengrunde“.

Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, so er deren eines verliert, der nicht lasse die neunundneunzig in der Wüste und hingehe nach dem verlorenen, bis dass er's finde?

Ein paar Jungen rennen mich beinahe um. Sie kommen mir gerade recht. Ich bin erst seit kurzem in dieser Stadt und kenne die Gegend noch nicht genau. Nun soll ich einen Kranken besuchen, der „auf der Soldatenwiese“ wohnt. Wo in aller Welt mag hier die Soldatenwiese sein? So weit ich sehe: nirgends etwas Grünes!

So halte ich nun den Jungen, der beim eifrigen Spiel gegen mich prallt, fest: „Weißt du, wo die Soldatenwiese ist?“ „Och, das ist doch das Barackenlager hinter dem alten Friedhof.“

„Ja, wo ist denn der alte Friedhof? Kannst du mir nicht den Weg dahin zeigen?“

Er schaut sich nach seinen Freunden um. Die haben sich neugierig herzugemacht. „Geht ihr mit?“ fragt er. Und ich lerne hier wieder die Macht der „Horde“ kennen. Wenn die anderen „Nein!“ sagen, wird er um nichts in der Welt zu bewegen sein, mir den Weg zu weisen. Aber ich habe Glück: Sie wollen alle mit. Und so ziehe ich weiter – nun mit einem stattlichen Gefolge von zwölf Jungen.

Sie erwarten offenbar etwas von mir. Gut! Ich werde sie nicht enttäuschen. „Wollt ihr eine Geschichte hören?“ „Klar! Fangen Sie an!“

Und während wir uns durch den Lärm und das Gedränge schieben, erzähle ich ihnen die biblische Geschichte, wie die Jünger beim Sturm auf dem See Genezareth in große Not gerieten, wie aber der Herr Jesus dann mit Seinem machtvollen Wort den Sturm stillte.

Jungen hören gern von Jesus. Und so gefiel ihnen diese Geschichte so gut, daß sie noch mehr verlangten. Ich erzählte. Ärgerlich, erstaunt, lächelnd und auch wütend schauten uns die Leute nach. Denn ich mußte ja recht laut reden, damit ich bei dem Lärm verstanden wurde. Und jedenfalls war der Name Jesus auf solch einer Straße nicht gerade etwas Alltägliches.

Inzwischen hatten wir den alten Friedhof erreicht. Hier

bogen wir ab in einen ganz schmalen Weg, der am Kirchhofsgitter entlangführte.

Da hielt auf einmal einer der Jungen an und sagte erstaunt: „Wie still es hier ist!“

Ich mußte lächeln: Solchen Großstadtjungen fällt es nicht auf, wenn es abscheulich laut ist, sondern wenn es still wird.

Wir blieben nun alle stehen und lauschten hinein in die Stille des alten Friedhofs. Man hörte nur den Wind in den Bäumen rauschen. Und von fern den Lärm der Straße. „Jungens“, sagte ich, „jetzt ist es da drin im Friedhof ganz still. Aber es wird einmal ein Tag kommen, an dem es hier ein großmächtiges Leben und Gedränge gibt.“

„Wenn der Friedhof abgeräumt wird!“ erklärt einer, der Bescheid weiß.

„Nein! Das meine ich nicht. Ich denke an den Tag, ,wenn einst die Posaun' erklingt / die auch durch die Gräber dringt’.“ Und nun erzähle ich ihnen die unerhörte Botschaft der Bibel, daß die Toten auferstehen werden; und daß der Herr Jesus als der Erstling schon auferstanden ist. Atemlos hören die Jungen mir zu.

„Und dann?“ fragt einer.

„Ja seht, da war ein Jünger des Herrn Jesus. Dem hat Gott in wunderbarer Weise gezeigt, was dann kommt. Ich will es euch in den Worten dieses Johannes sagen: ,Und ich sah einen großen, weißen Stuhl und den, der darauf saß; vor des Angesicht floh die Erde und der Himmel, und ihnen ward keine Stätte gefunden. Und ich sah die Toten, beide, Groß und Klein, stehen vor Gott, und Bücher wur¬den aufgetan. Und ein ander Buch ward aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach der Schrift in den Büchern, nach ihren Werken. Und so jemand nicht ward gefunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl.’“ Schweigend haben die Jungen zugehört. Aber es ist fast, als seien diese gewaltigen Worte der Offenbarung zu groß für sie. Ich muß es ihnen in ihre Sprache übersetzen:

„Junge, wie heißt du?“ frage ich einen.

„Ich? Ich heiße Eduard.“

„Also, Eduard, paß mal auf. Da steht also eine unübersehbare Menge vor diesem weißen Thron. Einer nach dem andern wird aufgerufen. Auf einmal ruft ein Engel mit starker Stimme: ,Eduard!' Und dann steht der Eduard ganz allein vor Gott. Und da sagt Gott zu dem starken Engel Gabriel: ,Sieh doch nach, ob der Eduard im Buch des Lebens steht.’ Und der Engel blättert in dem großen Buch und sucht – er schlägt die nächste Seite um – nichts! – er sucht weiter – die übernächste Seite – wieder nichts – er blättert weiter – und sucht –“

Die Jungen halten vor Spannung den Atem an.

Und ich erzähle weiter. Über dem Erzählen wird es mir selbst von neuem ganz eindringlich groß, daß wirklich un¬ser ganzes Leben und alle Welt- und Menschengeschichte auf das große Gericht Gottes zueilen, und wie ernst doch Gott uns nimmt, daß ein jeder sein Gericht erleben und erleiden muß.

„Immer noch sucht der Engel Gabriel. Eine gewaltige Stille liegt über der ungeheuren Versammlung. Auf einmal ruft der Engel Gabriel laut: ,Da steht der Eduard im Buch des Lebens.’“

„Junge, dat wär knöfte!“ sagt aufatmend der Eduard. „Knöfte“ – das ist nun eins von den Jungen-Geheimworten, die die Erwachsenen meist nicht verstehen. Es bedeutet „herrlich“, „großartig“.

„Ja, Eduard“, sage ich, „das wäre knöfte, wenn dein Name einmal im Buch des Lebens stünde! Und ich will dir auch sagen, wie das geschehen kann: Schenke du nur dein gan¬zes Herz dem Herrn Jesus, von dem ich euch erzählt habe. Dann kann es dir nicht fehlen ... Aber da vorn sehe ich schon das Barackenlager. Das wird ja wohl die Soldatenwiese sein. Da danke ich euch auch recht herzlich für die Begleitung!“

Während die Jungen laut redend davonziehen, geht mir der liebe alte Vers durch den Sinn:

„Schreib meinen Nam'n aufs Beste / Ins Buch des Lebens ein,
Und bind mein Seel fein feste / Ins schöne Bündelein
Der'r, die im Himmel grünen / Und vor dir leben frei:
So will ich ewig rühmen, / Daß dein Herz treue sei.“

Pastor Wilhelm Busch

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MÖRDERLICH


Nur die Älteren erinnern sich noch an die Zeit um 1930, als die politischen Leidenschaften hoch gingen, als Kommunisten und Nazis in blutigen „Saalschlachten“ sich bekämpften und die Bürger immer wieder durch die heulenden Sirenen des Überfallkommandos aufgeschreckt wurden, wenn irgendwo eine Schießerei im Gange war. Obwohl ich ein außerordentlich friedlicher Mensch bin, war ich doch eines Tages unversehens in diese mörderliche Auseinandersetzung verwickelt. Und ein riesiges Brotmesser hat nach meinem Herzen gezielt. Aber der Leser braucht sich nicht zu sorgen: Ich lebe noch immer, und die ganze Geschichte war eigentlich mehr zum Lachen als zum Erschrecken.

Zum vierten Stock eines großen grauen Hauses war ich hinaufgeklettert, um eine Trauung zu halten. Es war damals so, daß viele Trauungen in den Wohnungen stattfanden, wenn die Leute die Kosten für eine große Feier in der Kirche sparen wollten.

Etwas verlegen stand die Hochzeitsgesellschaft in der Wohnküche herum, wo auf dem glühend heißen Herd der Festkaffee kochte. Die meisten kannte ich schon. Da war die Braut – ein kleines, verschüchtertes Ding; da war der Bräutigam – eifriges Mitglied im „Stahlhelm“, einer wehrhaften vaterländischen Organisation. Dort stand auch mein Freund Kuno, der sich neuerdings in der SA der Nazis als großer „Schläger“ einen Namen gemacht hatte. Zur Feier des Tages hatte er einen etwas zu großen Gehrock angetan. Die Brautmutter begrüßte mich erhitzt. Man sah ihr an, daß Kuchen und Kaffee ihr Herz völlig beschlagnahmt hatten. Ferner hatten sich einige Onkel, Tanten und Vettern eingefunden, die als Statisten und Trauzeugen eine Rolle spielen sollten.

Vergeblich suchte mein Auge den Brautvater. Aber – es war immerhin begreiflich, daß dieser Mann der kirchlichen Feier fernblieb; denn ich wußte, daß er ein überzeugter Kommunist war.

Na, nun konnte es losgehen. Ich stellte ein paar Stühle im Halbkreis um das Brautpaar. Nach einigen Bemühungen hatte ich die Gesellschaft geordnet. Zuerst sangen wir „Lobe den Herren ...“ Das ging ganz ordentlich. Ich mußte denken: „Wahrscheinlich ist das Lob Gottes etwas recht Seltenes in diesen Räumen. Umso eindrücklicher ist es eben jetzt.“ Dann folgte meine Ansprache.

Dabei fand ich nun leider wenig Aufmerksamkeit. Es lag eine Spannung in der Luft. Immer wieder sah sich die Mutter aufgeregt nach der Tür um, die in die Schlafkammer führte.

Und dann – ja, dann flog auf einmal diese Türe auf mit Getöse. Ehe ich aber noch begriffen hatte, was geschah, war der Trauzeuge im weiten Gehrock aufgesprungen. Mit energischem Ruck zog er die Tür wieder zu und sagte beruhigend zu mir: „Machen Sie getrost weiter!“

Na, das tat ich denn auch, allerdings leicht beunruhigt von der Frage, welche dunklen Geheimnisse wohl hinter dieser Tür verborgen seien. So ging die Trauungsfeierlichkeit ohne weitere Zwischenfälle zu Ende.

Nun kam der zweite Teil der Feier: das Kaffeetrinken. „Herr Pfarrer“, hieß es, „Sie bleiben doch noch ein bisschen bei uns?“ Ich wurde als Ehrengast auf das Wachstuchsofa verstaut, der Tisch vor mich hingeschoben. Und um mich herum gruppierte sich die Gesellschaft, soweit am Tisch Platz war. Die anderen mußten später zusehen, wie sie zu ihrem Festessen kamen.

Immer noch war die komische Spannung in der Luft. Ich überlegte: „Wahrscheinlich ist mit der Festtorte etwas passiert. Vielleicht ist eins der Kinder darübergeraten.“ Jedenfalls gab ich mir redlich Mühe, dem armen Brautpaar doch noch zu einem fröhlichen Fest zu verhelfen. So begann ich zu erzählen und zu unterhalten, daß mir der Schweiß von der Stirne rann. Dazu war der Kaffee sehr heiß, der Herd glühte, und außerdem war es Sommer. Und während ich mich so bemühte, ohne viel Erfolg zu erzielen – da geschah der Knall!

Die Tür zur Schlafkammer flog wieder auf, diesmal noch energischer. In ihr erschien der Brautvater. Später erfuhr ich, daß er sich trotzig und ziemlich betrunken zu einem Mittagschlaf niedergelegt hatte. Aber dann, als er erwachte, fiel ihm ein, daß er als überzeugter Atheist auf keinen Fall eine kirchliche Trauung in seiner Wohnung dulden dürfe.

Da stand er also in der Tür. Sein Blick suchte – nun hatte er mich erspäht. Mit einem riesigen Sprung sauste er an den Tisch, riß ein großes Brotmesser hoch und brüllte: „Nieder mit dem Pfaffen!“

Ich saß wehrlos eingekeilt zwischen Sofa, Tisch und Kaffeetassen. Nachher habe ich gedacht, vielleicht hätte es ihn beruhigt, wenn ich meine volle Tasse als Wurfgeschoß gegen ihn geschleudert hätte.

Doch solche Maßnahmen waren gar nicht mehr nötig. Die Hilfe kam von anderer Seite: der Mann im Gehrock war aufgesprungen, hatte den Alten gepackt, und dann wälzten sie sich am Boden. Ich sah Arme, Beine, Gehrock und alles durcheinanderwirbeln. Es ging viel schneller, als ich es berichten kann. Offenbar war der Gehrock-Mann in der Kunst des Jiu-Jitsu geübt. Der Alte schrie wütend auf. Dann wälzte sich der Knäuel in die Schlafstube. Vorsichtig machte die Mutter die Tür zu und fragte: „Wollen Sie noch eine Tasse Kaffee, Herr Pastor?“

Ich dankte herzlich. Und dann hatte niemand mehr etwas dagegen einzuwenden, daß ich ging.

Als ich die Treppe hinunterstieg, ging mir ein Lied durch den Kopf, das unsere Väter sehr liebten: „O selig Haus, wo man dich aufgenommen, du wahrer Seelenfreund, Herr Jesu Christ ...!“ Welch eine andere Welt ist das! Mein Herz war traurig. Denn hier wurde das ja so schrecklich deutlich, wohin wir Menschen kommen, wenn der Herr Jesus nicht mehr „unter allen Gästen, die da kommen, der Gefeiertste und Liebste ist“.

Am meisten aber trauerte ich über meine eigene Ohnmacht. Die Boten des Evangeliums stehen oft sehr hilflos vor den Gewalten dieser „Welt“.

Pastor Wilhelm Busch

 

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Singen hilft siegen


„Mensch, guck dir dies Gedränge an!“ – Rappelvoll stand der Bahnsteig des riesigen Frankfurter Hauptbahnhofs. Und als der Zug nach Heidelberg endlich anrückte, gab’s einen Sturm wie auf die „Düppeler Schanzen“.

Nun ja, Ferienanfang! Da geht’s eben ein bißchen stürmisch her auf der Eisenbahn.

Mit meinen Geschwistern hatte ich mich in ein großes Abteil „für Reisende mit Traglasten“ gequetscht. Jeder kennt ja die Wagen: „9 Sitzplätze, 20 Stehplätze“. Unserer alten Mutter hatten wir im Eck einen Sitzplatz ergattert. Wir an-deren türmten unser Gepäck aufeinander und setzten uns darauf. Ja, und dann ging’s los! Der Bummelzug hielt an jedem Nest. Wenn man gerade meinte, nun sei er glücklich in Fahrt, da war's schon wieder aus. Und kein Mensch wollte aussteigen! Im Gegenteil, immer mehr stiegen zu. Wir hatten das Gefühl, als reise die ganze Menschheit nach Heidelberg. Und dazu brannte die Sonne nicht schlecht auf die heißen, überfüllten Wagen. Es war schon kein Vergnügen mehr. Kein Wunder, daß die Stimmung im Abteil „für Reisende mit Traglasten“ schlecht, ja geradezu gereizt war. Es fehlte nur noch das „Streichholz“, welches das Pulverfaß zur „Explosion“ brachte. Das kam dann auch wirklich an irgendeiner Station in Gestalt einer sehr resoluten Frau, die, ihr Kindchen auf dem Arm, auch noch mitfahren wollte.

„Besetzt!“ brüllte ein Mann zum Fenster hinaus.

Die Frau tat, als habe sie nichts gehört. Entschlossen riß sie die Tür auf und drängte sich herein.

„Ich habe Ihnen doch gesagt, daß besetzt ist“, sagte der Mann scharf und drückte gegen die Frau.

„Ich muß aber mit“, schrie sie aufgeregt und drückte sich herein. Sie hätte aber doch den Kürzeren gezogen, wenn nicht der Schaffner von außen her die Türe zugequetscht hätte.

„Nu ist die Heringstonne fertig“, meinte einer trocken. Aber der wütende Mann hatte keinen Sinn für Humor. Er schimpfte Mord und Brand. Alle seine Gereiztheit ließ er an der armen Frau aus.

Andere fielen ihm zu.

Doch die Frau hatte den Mund am rechten Fleck. Kein Wort blieb sie schuldig. Und bald war der hitzigste Krach im Gange.

Der Mann wurde vor Wut richtig blaurot im Gesicht.

Der Krach nahm immer bedrohlichere Formen an. Da – stimmt unsere Mutter mit ihrer schönen, hellen Stimme ein Lied an. Wir begreifen schnell und fallen, zuerst ein wenig verlegen, ein. Aber dann klingt’s aus acht Kehlen:


„Geh aus, mein Herz, und suche Freud
In dieser schönen Sommerzeit...“

Wahrhaftig, wir singen den Krach einfach nieder. Die Leute schauen uns erstaunt an. Jede Miene fragt: „Seid ihr verrückt?“

Aber nun sind wir schon mal dran und machen fröhlich weiter. Und das schöne Lied hat viele Strophen.


„Die Bäume stehen voller Laub,
Das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide...“

Wirklich, jetzt gucken schon ein paar ganz schüchtern aus dem Fenster und entdecken auch, daß da draußen in sommerlicher Herrlichkeit Gottes schöne Welt liegt.


„Die Bächlein rauschen in dem Sand
Und malen sich und ihren Rand
Mit schattenreichen Myrten.
Die Wiesen liegen hart dabei...“

Uns selber gefällt unser Lied immer besser. Und – wie es scheint – den Leuten auch. Sie schweigen jetzt wenigstens.


„Der Weizen wächset mit Gewalt,
Darüber freut sich Jung und Alt
Und rühmt die große Güte
Des, der so überschwenglich labt
Und mit so manchem Gut begabt
Das menschliche Gemüte.“

Ach, wie schaut der Mann noch finster drein! Und wie bissig ist das Gesicht der Frau! Aber wo Gottes Lob erklingt, hält‘s der Teufel nicht aus.


„Ich selber kann und mag nicht ruh’n,
Des großen Gottes großes Tun
Erweckt mir alle Sinnen.
Ich singe mit, wenn alles singt...“

Wie ging es nun weiter? Allmählich hellte sich die böse Miene des Mannes auf, und er rückte ein ganz klein wenig beiseite. So hatte die Frau nun auf einmal Platz und guckte auch schon fröhlicher in die Welt.

Wir aber sangen und sangen ... Wir sangen die Ewigkeit in die Zeit.


„Welch hohe Lust, welch heller Schein
Wird wohl in Christi Garten sein?
Wie wird es da wohl klingen ...“

Und schließlich schlossen wir unser Lied mit dem ernsten Gebetsvers:


„Erwähle mich zum Paradeis
Und laß mich bis zur letzten Reis’
An Leib und Seele grünen ...“

Wir waren zu Ende. Da erhob sich in der Ecke ein Mann und bot der Frau schweigend seinen Platz an. Jeder bemühte sich auf einmal, so lieb wie möglich zu sein. Und da war’s nun – seltsam – ganz erträglich im Abteil. Alle hatten Platz genug, die überhitzte Spannung war verflogen. Schließlich meinte jemand schüchtern: „Singen Sie doch noch eins.“ So stimmten wir an:


„Harre, meine Seele, harre des Herrn ...“

Das konnten viele. Erst brummten sie leise mit, bald sangen ein paar und rissen die anderen mit, und schließlich sangen alle.

Und so sangen wir miteinander bis Heidelberg hinauf.

Pastor Wilhelm Busch

 

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Zwei Sportler und eine alte Frau


Den ganzen Nachmittag hatte ich Besuche in den Häusern gemacht.

Wirklich, das ist ein Abenteuer, wenn man als Pfarrer in der Großstadt durch die Häuser geht! Da kommt man durch alle Zonen: Man erlebt eisige Ablehnung und kalte Feindschaft – die reinste Pol-Landschaft! Man kommt auch in die gemäßigte Zone kühler Höflichkeit und einwandfreier konventioneller Temperatur. Und je und dann gerät man in tropische Hitze, wo einem der Schweiß ausbricht. Da soll man unter allen Umständen einen Weinbrand trinken, eine Zigarette rauchen, den Opa begrüßen, die Wohnung besichtigen, Schmeicheleien anhören. „Welch ein Glück, daß wir Sie haben!“ sagte mir eine Dame. Und ich konnte nur stammeln: „Wie schade, daß Sie von dem Glück keinen Gebrauch machen, um am Sonntag meine Predigt zu hören.“

Also – ich war einen Nachmittag lang abwechselnd durch alle Zonen gekommen. Und jetzt war ich erschöpft.

Da war noch ein Besuch zu machen. Den hatte ich mir bis zuletzt aufgehoben. Denn darauf freute ich mich. Die Leute kannte ich als rechte Christen. Der heranwachsende Sohn war mir ein tüchtiger Mitarbeiter. Und die Eltern waren Leute, die den Herrn Jesus von Herzen liebhatten. Bald saß ich behaglich in der Sofa-Ecke der Wohnküche. Die Mutter drehte die Kaffeemühle. „Jetzt habe ich doch einen Grund, einen guten Kaffee zu machen. Ich trinke ihn nämlich so gern!“ lachte sie. Und mir gegenüber hatte sich’s in einem Sessel der Vater gemütlich gemacht.

Ein angeregtes Gespräch war sofort im Gang. Es ging so zu, wie bei jenem schwäbischen Kaufmann, den ich einmal in den Zeiten des Nazireiches besuchte. Als da das Gespräch in die übliche politische Schimpferei ausarten wollte, sagte er einfach: „Wir wollen zum Wesentlichen kommen.“ Und dann sprach man von göttlichen Dingen.

So war’s hier auch. Dabei fragte ich: „Sagen Sie mir doch, Herr Lovis, wie sind Sie eigentlich auf diesen Weg der Nachfolge Jesu gekommen?“

Eine Weile schwieg er nachdenklich. Dann wurde eine Gegenfrage gestellt: „Haben Sie die Frau Mankus noch gekannt?“

Seltsam! Immer wieder stieß ich auf diese Frau! Es laufen im Ruhrgebiet viele Leute herum, die durch sie zum Herrn Jesus geführt worden sind. Ich habe solche im vornehmen Villenviertel getroffen und ebenso in grauen Mietskasernen. Sie war der Ewigkeit nahe, als ich sie kennenlernte. Mein erster Besuch ist mir unvergeßlich: Ein trübes Mietshaus in einem Bergarbeiterviertel! Ein kleines Stüblein! Eine einfache Frau, Witwe eines Bergmannes, der „vor Kohle“ gearbeitet hatte. Aber nach wenigen Minuten hatte ich die armselige Umgebung vergessen. Da sah ich nur noch die „Mutter in Christo“.

„Ja, ja! Die Frau Mankus! Die hatte scharfe Pfeile in ihrem Köcher!“ unterbricht der Mann im Sessel unser nachdenkliches Schweigen.

„Erzählen Sie mal!“ bitte ich.

„Nun, ich war damals ein junger Bursche von etwa 16 Jahren. Eine Zeitlang war ich im evangelischen Jugendkreis gewesen. Aber dann fand ich einen Freund, der mich für den Sport begeisterte. Wir beide wurden Mitglieder im Sportklub. Und zwar eifrige Mitglieder! Nicht nur so Zuschauer.

An einem Sonntagmorgen war ein großes Sportfest. Mein Freund und ich holten uns Preise. Das waren nur einfache künstliche Lorbeerkränze. Aber – wir waren stolz, als wir damit nach Hause zogen. Ja, wir waren stolz.

Auf dem Heimweg trafen wir Frau Mankus. Weil sie unsere Eltern kannte, grüßte sie uns freundlich: ,Ah! Ihr seid Sieger! Da freut Ihr euch!’ Und dann sagte sie nachdenklich: ,Wenn man siegen will, muß man richtig laufen.’

,Wir sind auch richtig gelaufen!’ erklärte mein Freund. Mutter Mankus sah uns an und sagte mit Nachdruck: ,Wer auch läuft und läuft zu schlecht, der versäumt sein Kronenrecht...' Dann ging sie.

Mein Freund sah ihr nach und erklärte: ,Die spinnt!’

Aber bei mir, Herr Pfarrer, da hatte es eingeschlagen. Ich kannte das Lied. Mir war mit einem Male klar, daß ich auf dem besten Wege war, ,mein Kronenrecht', das mir der Herr Jesus am Kreuz erworben hat, zu verlieren. Seitdem ist es bei mir so, wie Ihre Jungen im Jugendkreis singen: ,Nun gehören unsre Herzen / Ganz dem Mann von Golgatha...'“

Er schwieg.

Ich auch. Denn ich dachte an die vielen Vorträge, Konferenzen und Tagungen, wo wir überlegt hatten, wie man die Jugend für das Evangelium gewinnen könnte. Da wurden psychologische und soziologische Einsichten erörtert; da zerbrach man sich den Kopf und suchte „neue Wege“.

Und über all dem geschah es, daß eine Bergmannswitwe ein altmodisches Lied zitierte – und ein junger Sportsmann entschloß sich, dem Herrn Jesus zu gehören!

Ja, das kann einen Jugendpfarrer schon beunruhigen.

Pastor Wilhelm Busch

 

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GOTT IST AUS DER KIRCHE AUSGETRETEN


Quelle: Youtube (https://www.youtube.com/watch?v=_ScI3Zh5iT0)

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Als die Nachricht um die Erde lief,
Gott sei aus der Kirche ausgetreten,
Wollten viele das nicht glauben.
„Lüge, Propaganda und Legende“, sagten sie,
bis die Oberen und Mächtigen der Kirche
sich erklärten und in einem sogenannten Hirtenbrief
folgendes erzählten:

„Wir, die Kirche, haben Gott, dem Herrn,
in aller Freundschaft nahegelegt,
doch das Weite zu suchen, aus der Kirche auszutreten
und gleich alles mitzunehmen, was die Kirche immer schon gestört.
Nämlich seine wolkenlose Musikalität,
seine Leichtigkeit, und vor allem
Liebe, Hoffnung und Geduld.
Seine alte Krankheit, alle Menschen gleich zu lieben,
seine Nachsicht, seine fassungslose Milde,.
seine gottverdammte Art und Weise,
alles zu verzeih’n und zu helfen – sogar denen,
die ihn stets verspottet;
seine Heiterkeit, sein utopisches Gehabe,
seine Vorliebe für die, die gar nicht an ihn glauben,
seine Virtuosität des Geistes, überall und allenthalben,
auch sein Harmoniekonzept bis zur Meinungslosigkeit,
seine unberechenbare Größe und vor allem
seine Anarchie des Herzens – usw. ….
Darum haben wir, die Kirche, ihn und seine große Güte
unter Hausarrest gestellt,
äußerst weit entlegen, daß er keinen Unsinn macht
und fast kaum zu finden ist.“

Viele Menschen, als sie davon hörten,
sagten: „Ist doch gar nicht möglich!
Kirche ohne Gott?
Gott ist doch die Kirche!
Ist doch eigentlich gar nicht möglich!
Gott ist doch die Liebe,
und die Kirche ist die Macht,
und es heißt die ‚Macht der Liebe‘.
Oder geht es nur noch um die Macht?“
Andere sprachen: „Auch nicht schlecht.
Nicht schlecht. Kirche ohne Gott!
Warum nicht? Kirche ohne Gott!?
Ist doch gar nichts Neues, gar nichts Neues!
Gott kann sowieso nichts machen.
Heute läuft doch alles anders.
Gott ist out. Gott ist out!
War als Werbeträger nicht mehr zu gebrauchen.“
Und:
„Die Kirche hat zur rechten Zeit das Steuer rumgeworfen.“
„Kirche ohne Gott!“ das ist der Slogan.

Doch den größten Teil der Menschen
sah man hin und her durch alle Kontinente zieh’n.
Und die Menschen sagten: „Gott sei Dank.
Endlich ist ER frei. Kommt, wir suchen ihn!“

Hanns Dieter Hüsch



Da hilft kein Zorn, da hilft kein Spott!
Da hilft kein Fluchen und kein Beten!
Die Nachricht stimmt:
Der Liebe Gott
ist aus der Kirche ausgetreten!!!

Erich Kästner

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NAHAUFNAHME


Quelle: Youtube (https://youtu.be/_Pup23AzFrE?t=36)

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GERWIN TRIFFT - MAYBRIT ILLNER


Quelle: GERWIN TRIFFT (http://www.gerwintrifft.de/de/interview.php?id=164)

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GOTTES ZEIT IST DIE ALLERBESTE ZEIT


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CHRISTMAS FOOD COURT FLASH MOB


Quelle: Youtube (https://youtu.be/SXh7JR9oKVE)

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